In 7 Monaten über 11.000 Km mit dem Fahrrad nach Shanghai

China!!! Und was davor geschah

Ich habe ja nun etwas länger nicht mehr geschrieben, also kommt hier ein etwas längerer Eintrag. Für die, die dafür keine Zeit haben hier die Kurzfassung: Ich bin in China!! ;D

Nachdem ich mich durch die vollen Straßen Astana´s gekämpft hatte, pausierte ich am Stadtrand neben einem Parkplatz. Keine Minute später hielt ein Auto, aus dem ein englisch sprechender Mann heraus kam und mir 3 Bananen und eine Flasche Wasser schenkte. Die Straße, welche aus Astana herausführte war zu meinem Glück eine brandneue Autobahn. Es war mal wieder ein Tag mit ca 30 Grad C. und so bog ich irgendwann in ein Dorf ab, um dort Schatten zu suchen. Und wieder hielt ein Mann an, der mich überredete mit ihm zum Dorfladen zu kommen. Dort bestand er darauf mir alles zu kaufen was ich wollte. Eigentlich brauchte ich nichts, aber das war ihm egal. Als ich wieder heraus kam, hielt ich eine riesige Tüte mit Snickers, Mars…, Wasserflaschen, Kaugummis, Cola, Wurst, Brot und etlichen anderen Sachen in der Hand. Er verabschiedete sich und brauste davon. Ich war mal wieder von der unglaublichen Gastfreundschaft Kasachstans überwältigt und fuhr weiter gen Osten. Nach dieser langen Pause tat das Weiterfahren gut. Auch wenn mir die Zeit bei meinen Gastgebern in Astana sehr gefallen hat. Während ich abends in mein Zelt kriechen wollte, stellte ich fest, dass dieses voller Schimmel war… Na toll. Selbst mit größter Mühe ließ sich dieser nicht wegwischen. Ich Idiot muss wohl verpennt haben das Zelt beim letzten Mal richtig trocknen zu lassen. Da ich nichts weiter dagegen tun konnte, akzeptierte ich es schlichtweg und schlief schnell ein.

Perfekter Campingplatz 10 Meter neben der Straße

Gegen kurz vor 7 wachte ich schwitzend in meinem Schlafsack auf. Die Sonne hatte mein Zelt bereits in eine Sauna verwandelt. Ich musste zwangsläufig an das wohltemperierte Zimmer in Astana denken. Selbst nach all dieser Zeit geht mir das Zelten gehörig auf den Keks. Oft kann man vor 12/1 Uhr Nachts nicht schlafen, da es da noch zu warm ist. Zwischen 6 und 7 wird man dann wiederum von der Hitze geweckt. Viel Schlaf fällt dabei nicht ab. Egal, weiter ging´s. Innerhalb einer Stunde hatte ich alles zusammen gepackt und war abfahrbereit. Es war 8 Uhr und bereits unangenehm warm. Ich befand mich mal wieder mitten im Nichts und das nächste Dorf war 40 km entfernt. Dorthin musste ich es vor der Mittagshitze schaffen. Doch diese kam früher als erwartet. Ich gab richtig Gas, um vor 12 Uhr dort anzukommen, doch die Hitze machte mein Unterfangen immer schwieriger. Gegen 10 war ich vor Schweiß vollkommen durchnässt. Das Wasser in meinen Flaschen schmeckte widerdlich warm und nach Plastik. Bereits jetzt war ich der Meinung, dass ich hitzetechnisch am Limit war. Das Dorf war noch 15 km entfernt. Ich fuhr weiter und plötzlich ging es Bergauf. Mein Körper stand kurz vor einem Hitzeschlag. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich hatte das Gefühl zu schmelzen. Das Gehirn schaltet irgendwann vollkommen ab. Man zählt jede Sekunde, was das Ganze nur noch länger zu machen scheint. Anders als bei der Kälte am Anfang der Tour kann man sich irgendwann nicht kleidungstechnisch immer weiter an- bzw ausziehen. Laut Thermometer waren es 33 Grad und noch nichtmal 12 Uhr. Normalerweise bin ich kein großer Fan von solch einer Hitze. Zuhause würde ich mich irgendwo – wo es kühl und schattig ist -zurückziehen. Bei solchen Temperaturen noch stundenlang Sport zu machen wäre mir nie in den Sinn gekommen…. Und hier bin ich jetzt. Mit einem mal hörte die tolle Autobahn auf und ich befand mich wieder einmal auf einer ewig langen Schotterpiste. Es ging nicht mehr. Mein Körper glühte und wollte nicht mehr. Hier jetzt stehen zu bleiben, hätte das Ganze aber nur noch verschlimmert. Kasachstan. Du machst mich fertig. Gegen 11:20 kam ich dann an dem Dorf an und fand zu meiner Erleichterung auch ein Cafe. Der Besitzer stand vor der Tür und half mir hinein. Ich war ein körperliches Wrack. Drinnen war es kühl und dennoch dauerte es eine halbe Stunde, bevor ich mich wieder halbwegs wohl fühlte. Er ließ direkt Essen kommen und schaute mir kopfschüttelnd beim Essen zu. Offenbar war im hinteren Teil des Cafes ein Minihotel und zu meiner Überraschung ließ er mich dort duschen und in einem Zimmer auf einer Couch bis 16 Uhr schlafen. Beim Gehen stellte sich dann heraus, dass ich dafür nicht bezahlen müsste. Es wäre ihm eine Freude gewesen einem Reisenden zu helfen. Ich dankte Gott für solche Menschen. Zwei Stunden später sollte Kasachstan mit einem neuen Wetterextrem aufwarten. Hinter mir zog sich der Himmel mit dicken Wolken zu. Dabei gelangen mir ein paar echt schöne Fotos.

So atemberaubend das Ganze auch war, so war mir auch klar, was mir blühte. Eine halbe Stunde später befand ich mich in einem Monsunregen. Die dicken Regentropfen versperrten mir die Sicht auf die Straße und so schaltete ich ich alle meine Rückbeleuchtungen an. Ich hatte wenig Lust darauf, hier von einem Fahrer übersehen und weggeflankt zu werden.
Mit der Zeit mäßigte sich der Regen und wurde durch ein riesiges Gewitter abgelöst. Dieses rückte von schräg hinten immer näher heran und war irgendwann direkt über mir. Links und rechts schlugen Blitze in die Erde. Mein Nackenhaar sträubte sich und mein Adrealinpegel war auf einem Allzeithoch. Um mich herum war nur Flachland und anders als sonst war die Straße nicht viel höher gelegt als die Umgebung. Nichts würde mir Schutz bieten. Wahrscheinlich wäre es das Schlauste gewesen mich trotzdem an den Straßenrand zu hocken und abzuwarten. Aus mir unauffindbaren Gründen fuhr ich aber weiter. Ich fühlte mich lebendig. Lebendiger als je zuvor. Erst als unmittelbar neben mir ein Blitz einschlug und mich der Wind fast vom Fahrrad warf wurde ich in die Realität zurück gebracht. Ich rannte zu einer Grube und hockte mich auf meine Zeltplane.

Das Gewitter zog schließlich weiter. Beim Weiterfahren suchte ich nach einer passenden Stelle zum Zelten. Ich fand keine. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass der Wind um 180 Grad gedreht hatte ( das passiert hier sehr oft und sehr schnell ). Daraus resultierend kam das Gewitter zurück. Nochmal wollte ich das nicht durchleben, also baute ich mein Zelt auf der offenen, ebenen Fläche neben der Straße auf und viel ins „Bett“. Diese Nacht sollte ich wieder nicht viel Schlaf bekommen, da ich von dem Getöse draußen wach gehalten wurde und alle paar Minuten rausrennen musste, um losgerissene Spannseile neu zu befestigen. So vergingen dann viele Tage. Immer das gleiche Schema. Tagsüber kämpfte ich gegen eine unnatürliche Hitze an und gegen späten Nachmittag zogen Gewitter und Regenwolken über mich hinüber. Mit deutschem Regen werde ich in Zukunft sicher kein Problem mehr haben. Tag für Tag kasachische Sturzfluten härten ab. Lediglich die Gewitter stellten einen erheblichen Risikofaktor dar und eigentlich ist es ein Wunder, dass ich dadurch nicht umgekommen bin. In 90% der Fälle habe ich diese nämlich einfach ignoriert und bin weitergefahren. Wahrscheinlich lag es daran, dass es oft sinnlos war darauf zu warten, dass es vorüberzog. Das dauerte oft Stunden. So lange konnte ich nicht tagtäglich warten. An einem Motel entschied ich mich dann, mich wiedermal etwas mitnehmen zu lassen. Das Wetter ging mir langsam gehörig auf den Sack. Ich wartete an einer Kreuzung und nach einigen Minuten hielten zwei LKWs. Aus dem Vorderen kam ein kleiner, glatzköpfiger Türke namens Micha gestiegen. Dieser verstaute mein Fahrrad in einer der Seitenboxen und los ging es. Der Weg war in einem mieserablen Zustand. Mit dem Fahrrad wäre das eine Tortur geworden. Micha erzählte mir die gesamte Fahrt über über die ganzen Frauen die er bereits „klar“ gemacht hätte. Ich wurde darüber unterrichtet, wo auf der Welt man am meisten für am wenigsten Geld bekam und welche Brustgröße perfekt sei. Irgendwann zeigte er mir dann ein Bild seiner Frau…. Aha nett 😀
Ich muss aber zugeben, dass ich mich die gesamte Fahrt lang köstlich amüsiert habe. Ich wollte mich für das Mitnehmen und das Comedy-Programm bedanken. Die perfekte Gelegenheit ergab sich, als wir an einer Raststätte hielten, um etwas zu essen. So sehr ich mich auch anstrengte, es hatte keinen Sinn. Micha bestand darauf zu bezahlen und mich einzuladen. In Pawlodar ließ er mich dann raus. Ich dankte ihm und dann war er mit seinem Volvo-Lastwagen auch schon weg.
Ich fuhr in die Stadt hinein, um ein günstiges Hotel zu finden. Irgendwo schien ich aber falsch abgebogen zu sein und so fand ich mich in einer stockdunklen, engen Siedlung wieder. Überall bellten Hunde. Zu meinem Glück waren diese alle angeleint. Nach einigen Minuten sah ich am Ende des Weges die Hauptstraße wieder, doch kurz bevor ich diese erreichte schossen mehrere Hunde auf mich zu…
Auf der Hauptstraße wog ich mich dann in Sicherheit, wurde aber nach einigen Minuten erneut von deutlich größeren Hunden verfolgt…
Am nächsten Morgen meldete ich mich bei einer Nummer, die mir von einem Fremden an einem Cafe ( 1-2 Wochen zuvor ) gegeben wurde. Alles kein Problem, ich könne bei ihm für eine Nacht unterkommen. Da er aber noch arbeitete holte mich ein Freund von ihm ab und zeigte mir die Stadt. Mein Gastgeber, welchen ich einige Stunden später traf, bestand darauf, mir sein Schlafzimmer zu überlassen und so schlief ich zum ersten Mal seit langem tief und fest durch.
Die nächsten Tage verstrichen, ohne dass etwas Spannendes passierte. So kam ich dann irgendwann in Semei an. Eine mega coole Stadt. Es war eine Mischung aus amerikanischer Hood, Mexiko und Cuba. Überall kleine Bars und Cafes, mit toller Beleuchtung und Tanzmusik. Der größte innerländische Kontrast seit Langem. In Pawlodar hatte ich mir bereits ein passendes Hotel heraus gesucht. Mit richtig bezogenem Bett, einem eigenen Fernseher und Klimaanlage. Wow. Als ich ankam, bezahlte ich direkt für drei Nächte und ging aufs Zimmer. Irgendwas kam mir aber komisch vor. Beim zweiten Gepäckgang bemerkte ich dann etwas. Im hinteren Teil der Lobby saßen überall knapp bekleidete Frauen, von denen mir einige zuzwinkerten. Ein Blick aufs Preisschild bei der Rezeption bestätigte dann meinen Verdacht. Das Hotel vermietete Zimmer auch Stundenweise…. Die „Stundenzimmer“ befanden sich offenbar auf der anderen Seite des Flures, da nur von da….Geräusche zu vernehmen waren. Mein Zimmer erwies sich nach einer kurzen Inspektion zum Glück als sauber und so entschloss ich mich den Rest zu ignorieren. Am nächsten Abend war die Geräuschkulisse deutlich leiser und unten saßen keine Frauen mehr rum. Dafür traf ich einen Finnen, der mit seinem Vater mit einem Miniauto durch die Welt fährt. Wir unterhielten uns einige Zeit und tauschten Nummern bzw Blog Adressen aus.

Alles in allem war es doch eine schöne Zeit in der Stadt. Am Rand der Stadt pausierte ich an einem Cafe, wo mich dort rumstehenden LKW-Fahrer vor den nächsten 80 km warnten. Diese sei mit dem Fahrrad unbefahrbar. Also nahm mich einer von ihnen mit. Nach den 80 km kam dann eine große Kreuzung und die Straße wurde wieder besser. Wir passierten einige Raststätten und Cafes und langsam fragte ich mich wann mich der Fahrer rauslassen würde. Als ich ihn fragte druckste er nur rum und redetete wild auf kasachisch auf mich ein. Ich verstand nicht. Mit der Zeit wurde ich etwas nervös, da ich keinen Grund dafür sah mich nicht rauszulassen. In der nächsten Stadt Ajagös ( Weitere 80 km entfernt ) hielt er dann an und ließ mich raus. Ich verstand immer noch nicht, war aber trotzdem froh, nicht irgendwo hin verschleppt worden zu sein. Ich begab mich auf die Suche nach einem Hotel. Eigentlich hatte ich von meinen Gasgebern aus Astana eine Nummer erhalten, konnte diese aber nicht anrufen, da mein Handy die Vorwahl nicht verstand. In der Stadtmitte kamen ein paar Jugendliche ( 16-19 ) auf mich zu und riefen netterweise die Nummer für mich an. Nach kurzem hin und her bestanden sie darauf mich zu ihm nach hause zu begleiten. Die Stadt war ähnlich wie Semei toll beleuchtet und voller Leben. Wir liefen einige Minuten und es wurde immer stiller. Mit einem mal war die Straßenbeleuchtung und die geteerte Straße weg. Ringsherum standen keine Wohnhäuser mehr, sondern nur Industriegebäude. Fuck. Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Der eine grinste mich an und sagte „its dark here and scary, dont be scared“. Ja danke, das war sehr aufmunternd. Wir bogen um eine Ecke und befanden uns wieder im beleuchteten und bewohnten Teil der Stadt. Dort stand Alibek mein neuer Gastgeber und führte mich nach oben. Ich bedankte mich bei den Jungs, die ich mal wieder völlig falsch eingeschätzt hatte. Im nachhinein tat es mir leid, so über sie gedacht zu haben.
Alibek ist Supervisor der hier anliegenden Lokomotivreparaturstätte. Er lebte hier erst seit kurzem und kannte hier niemanden, was ihn umso mehr freute nun einen Gast zu haben.
Ich hatte das Wohnzimmer für mich, wo ich auf einer Decke schlafen durfte. Wir fuhren zusammen zu einem der typischen Miniläden, wo wir uns mit ca 5 Liter Starkbier eindeckten. Am Ende dieses Abends schwor ich mir, nie wieder einen Kasachen zum Trinken heraus zu fordern. Nach 1 1/2 L kippte ich fast um. Lustig war es aber allemal.
Tags darauf gingen wir um 14 Uhr frühstücken und fuhren anschließend an einen nahegelegenen Fluss. Das Wasser dort war herrlich und insgesamt war das Schwimmen eine schöne Abwechslung. Die Natur ringsherum war atemberaubend und so verbrachten wir den Rest des Tages dort.

Abends gingen wir wieder in das gleiche Restaurant essen. Das war offenbar sein Lieblingsort, da wir dort die gesamten 3 Tage,die ich da war, mindestens zwei mal pro Tag dort essen gingen. Er bestand darauf zu bezahlen. Alibek zeigte mir am darauffolgenden Tag den Basar, wo er mir eine riesige Wassermelone kaufte. Diese müsse ich aber leider alleine essen, da er eine Allergie hat. Eines Abends erzählte ich ihm von der komischen Situtation mit dem LKW Fahrer. Er lachte und wusste direkt warum dieser so gehandelt hatte. Ein Wort: Wölfe. Er erklärte mir, dass die hier umliegenden Dörfer ein riesiges Problem mit Wölfen haben, die in letzter Zeit alles und jeden angreifen. Gerade die kleineren Dörfer seien mittlerweile vollkommen hundelos, da diese von gern Wölfen weggefressen worden seien…. Cool. An diesem Abend begang ich dann den größten Fehler der gesamten Reise. Ich erzählte meinen Eltern davon. Diese flippten vollkommen aus und versuchten mich mit allen Mitteln dazu zu überreden, mich die nächste Etappe mitnehmen zu lassen. Also einigten wir uns darauf, dass ich mich zumindest die nächsten 90 km mitnehmen lassen würde und abends versuche bei Leuten unterzukommen. Ich verabschiedete mich von Alibek und dankte ihm für alles. An einer Tankstelle wartete ich dann, doch es kam niemand. Kaum ein LKW passierte die Straße, der groß bzw leer genug gewesen wäre mich mitzunehmen. Nach drei Stunden sprach mich dann ein Mann an, der gerade seinen Toyota SUV betankte an. Er lud mich zu sich nach hause ein, wo ich zu essen und zu trinken bekam. Ich sykpte mit seiner Tochter, die mir noch eine Nummer von Verwandten gab, die in einem der nächsten Orte wohnen würden. Der Vater sagte, dass hier kaum LKWs entlangfahren, dass er mir aber ein Sammeltaxi organisieren könne ( Umgerechnet 15 Euro… ). Mir blieb ja kaum was anderes übrig und so ließ ich mich mit so einem Gefährt mitnehmen. Einen Tag später kam ich schließlich in Urdzhar an, wo ich herzlichst in Empfang genommen wurde. Mein neuer Gastvater brachte mich an den Stadtrand, wo er eine Jurte besaß. Diese fungierte als Restaurant, wurde aber für mich geschlossen. Dort bekam ich alle möglichen Gerichte zu essen. Darunter auch das für Kasachstan typische Pferdefleisch. Eine riesige Schüssel, die ich alleine essen sollte (neben zahllosen anderen Gerichten ). Ich war so satt wie nie zuvor und musste alles weitere abblocken. Der Gastvater sah mir die gesamte Zeit grinsend beim Essen zu.

Nach dem Essen kam seine Tochter, die Englisch sprach und führte mich auf einen Berg, von wo aus man eine tolle Aussicht auf den Sonnenuntergang hatte. Das war wirklich ein toller Abschluss für Kasachstan. Das Nationalgericht in der typisch kasachischen Jurte zu essen ( vollkommen gratis ) und am Abend dann gratis bei der Familie zu übernachten. An diesem Abend probierte ich dann zum ersten Mal Pferdemilch. Ich war kurz davor diese wieder aus zu spucken. Bisher hatte ich immer alles brav gegessen. Egal wie es geschmeckt hatte. Diese Milch schmeckte aber wie ausgekotzte Kuhmilch. Mir verdrehte sich der Magen… Zu meinem Glück nahmen es alle mit Humor und so ging ein weiterer toller Tag zu Ende.
Nach einem großen Frühstück fuhr ich dann weiter.
In den zwei Tagen, die ich ins nächste Dorf brauchte, wurde ich zwei mal von Hunden angegriffen. Das eine mal war es wirklich knapp. Ich habe trotzdem mit dem Pfefferspray gezögert und habe mich auf das Fahren konzentriert. Langsam hatte ich aber von diesen Viechern genug. Das nächste Mal werde ich mich nicht jagen lassen. Der nächste Hund, der meint mich angreifen zu müssen, wird sein blaues Wunder erleben.
Zwei Tage später erreichte ich Baqty. Das letzte Dorf in Kasachstan vor der Grenze. Ich pausierte an einem Cafe und genoß die Aussicht. Am Horizont lag ein riesiges Gebirge, welches sich vom Flachland aus in die Höhe streckte. An einem Gipfel meine ich sogar Schnee gesehen zu haben. Während ich da so gedankenversunken stehe, spricht mich ein Mann an und lädt mich zu sich nach hause ein. Dieses liegt direkt neben dem Cafe. Dabei handelt es sich um zwei große Wohnzimmer, von dem jedes eine abgewinkelte, halb getrennte Nebenniesche hat, wo ein Bett steht. Ansonsten gibt es noch zwei kleine Schlafzimmer. Dort lebt der Obervater mit seiner Frau, seinen zwei erwachsenen Söhnen und deren Frauen und Kindern. 10 Leute wohnten da auf engstem Raum. Trotzdem bekam ich eine Matratze eines der Betten in eines der Wohnzimmer gelegt. Am Abend gab es dann ein riesiges Festmahl. Jeder legte mir irgendwas auf den Teller. Kartoffel, Hühnchen, Gans, Teigbälle…. Ich kam gar nicht hinterher das alles zu essen und jedes mal, als sich mein Teller lichtete, wurde dieser trotz meines Widerspruchs erneut gefüllt. So musste ich irgendwann aufgeben und einen halbvollen Teller zurück lassen. Der eine Sohn des Vaters ist Grenzer und versuchte mir zu erklären, dass die Grenze am nächsten Tag geschlossen sei. Also stand es gar nicht zur Debatte, dass ich einen weiteren Tag bleiben würde. Auch am nächsten Tag wurde ich von morgens bis abends gemästet wie eine Weihnachtsgans. Am Nachmittag fuhr ich zusammen mit dem Gastvater zu einer Wasserstelle. Das Haus besaß keine eigene Wasserleitung und so mussten sie alle paar Tage mit allen Kanistern die sie hatten Wasser holen gehen. Das Wasser füllten wir an einem Minifluss auf, der aus Richtung des Berges kam. Es war herrlich und die Natur war unglaublich schön und unberührt.

So ging auch dieser Tag zu Ende und ich fand mich am nächsten Morgen an dem ersten kasachischen Grenzposten wieder. Es war ein komisches Gefühl dieses Land wieder zu verlassen. Unglaublich, dass ich hier zwei Monate verbracht habe. Ein Ort, an dem ich sowohl Freude als auch Leid erfahren habe. Kasachstan ist ein Land voller Überraschungen, mit gastfreundlichen Leuten an jeder Ecke. Trotzdem freute ich mich auf China. Das Land der wahrscheinlich noch größeren Extreme.
Den ersten Posten passierte ich relativ schnell. Einige Grenzer wollten noch ein paar Fotos machen, aber danach ging es weiter. Ich fuhr von Station zu Station und musste dutzende mal meinen Pass hoch halten. Mein Gepäck wurde noch gescannt und dann bekam ich den Ausreisestempel. Ich fuhr Richtung China. Aus dem ersten Grenzposten sprangen zwei schwer bewaffnete Chinesen zu und hielten mich an. Das Gleiche passierte noch zwei Mal und dann war ich in dem Hauptgebäude der Grenzer. Dort wurde mein Gepäck durchsucht und gescannt, doch zum Glück fanden sie weder mein Messer, noch das Pfefferspray. Eine Grenzerin wurde mir vom Chef persönlich zugewiesen und so wurde ich an all den wartenden Leuten vorbei gemogelt. Und schließlich hatte ich ihn. Den chinesischen Einreisestempel. Ich verließ das Gebäude und war in China. Ich ging zum Zaun, der das letzte Hindernis darstellte. Gerade wollte ich diesen passieren, kam von hinten „stop!“. Ein Beamter erklärte mir, dass ich nochmal warten müsse. Nach einigen Minuten kam zwei schwarz gekleidete Männer auf mich zu und führten mich in ein Nebengebäude. Wahrscheinlich Geheim/ bzw Abschirmdienst. Meine Bedenken verflüchtigten sich jedoch kurz darauf wieder, als ich nach einer letzten Kontrolle meines Passes gehen durfte. Ich hatte es geschafft. Ich war in China.

Das erste Schild auf meinem Weg in China sagt mir, dass hier Fahrradfahren verboten ist…

Die Einreise war trotz allem einfacher gewesen als gedacht. Ich hatte damit gerechnet, dass die Beamten sich meine Bilder und Videos anschauen, alles komplett auseinander nehmen und mir heikle Fragen stellen würden. Aber nichts davon geschah. Es war nun offiziell. Ich bin mit dem Fahrrad von Berlin bis nach China gefahren. Selbst jetzt wo ich das schreibe kann ich es kaum fassen. Ich machte mich auf den Weg nach Tacheng, die erste „kleine“ Stadt. Alles war anders. Überall fuhren kleine Chinesen auf Elektroscootern durch die Gegend und überall, wirklich überall standen kleine blinkende Polizeistationen, die aussahen wie Playmobilgebäude. Mindestens alle 300 Meter eins ( In der Stadt selber ). Ich befand mich in einer ganz anderen Welt, die sich nur schwer beschreiben lässt. Alles ist im Verhältnis zu Kasachstan modern. Am Rande der Stadt standen riesige Wohngebäude. Ich wusste, dass China überbevölkert ist, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass dies sich bereits jetzt so stark zeigen würde. Schon hier ist die Luft voller Smog und stinkt. Ich gewöhnte mich zwar schnell daran, trotzdem schockierte es mich. Ich machte mich auf die Suche nach einem Hotel. Dieses Unterfangen stellte sich aber als wahre Geduldsprobe heraus, da anders als in all den anderen Ländern, nichtmal das Wort „Hotel“ auf griechischer Schrift da steht. China, ein Land von und für Chinesen. Eigentlich nicht für Fremde gedacht. Weit und breit gab es keine auch nur ansatzweise europäisch aussehende Person. Außer dem zwei Meter langen Halbschweden, den ich darstelle. Nach einer gefühlten Ewigkeit der erfolglosen Suche, führte mich eine Frau zu einem Hotel. Dort verstanden sie dann aber nicht, was ich wollte und schickten mich wieder weg. Die eine wollte mir ein anderes Hotel zeigen und kam mit raus. Sie führte mich die Straße entlang und klopfte an die Tür eines Polizeireviers. Ich war verwirrt und wollte gerade abblocken, als ein paar Beamte mich dann hinein führten. Dort musste ich dann 10 Minuten warten bis schließlich einige Polizeiautos vor der Tür hielten, um mich zu einem Hotel zu eskortieren. So fuhr ich dann mit meiner eigenen Polizeieskorte durch Tacheng bis zu einem Hotel, wo dann alles klappte.
Als ich versuchte ins Internet zu kommen stellte ich erschrocken fest, dass so ziemlich alles geblockt ist. Ich hatte bereits aus dem Internet erfahren, dass Facebook, Youtube, Netflix etc gesperrt seien, aber wie sich heraus stellt, ist das nicht alles. Selbst Google ist gesperrt und alles was damit zusammenhängt. Ich kann weder googlemaps noch -earth mehr benutzen. Das ist ein Problem. Die Internetzensur hier geht mir gehörig auf den Keks. Vor allem, da alles mögliche heutzutage irgendwie mit Google verknüpft ist und somit hier nicht funktioniert. Nichtmal in meinen Email Account (Outlook) oder Skype komme ich mehr rein. Also musste ich erstmal eine neue Emailadresse mit einem Provider erstellen, der nicht von Google ist… sidneykuhnt@yahoo.com
In diesem Land soll ich jetzt drei Monate verbringen. Bisher hatte ich zumindest eingeschränkt Kontakt zur Außenwelt, hier ist das nicht möglich. Höchstens per überteuerten sms.
Am ersten Abend bekam ich auch noch die Kotzerei und Scheißerei. Ich durchlebte die schlimmste Nacht seit Jahren. Alle paar Minuten musste was raus. Sobald ich was trank, kam es raus. Das ging soweit, dass ich kurz davor war ins Krankenhaus zu fahren, da ich gar keine Flüssigkeit mehr in mir behalten konnte. Erst am Nachmittag des zweiten Tages ließ es dann langsam nach. Jetzt liege ich immer noch vollkommen fertig in meinem Hotelzimmer und hoffe, dass es mir schnellstmöglich besser geht. Das war wirklich ein holpriger Start in das letzte Land meiner Reise.

 

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12 Kommentare

  1. Valentine November 15, 2017

    Endlich bist du nach so einer Radtour wieder zuhause! Gut gemacht, weiter zu neuen Erfolgen! mit einem Wunsch Ihr RadBruder aus Uralsk!

  2. Ulf Juli 27, 2017

    Hallå min äventyrare. Min beundran blir hela tiden större. Du imponerar. Jag känner en man som jobbar i en hög internationell position. Han söker sig nu vidare och har kontakt med några mycket framstående headhunters. Han menar, att det du gör nu kommer att väga tungt som bly i din CV. Företagsamhet, beslutsamhet, oräddhet, energi, uthållighet, målinriktad, förmåga att lösa alla dessa problem som uppkommer i ditt stora projekt som också är ett dokument på att du klarar allt du bestämt dig för. Också det oförutsägbara. Detta kan vara tyngre än teoretiska meriter.
    Jag håller med och tillägger att din berättarkonst är fantastisk. Du skildrar stämningar, möten med människor, reflexioner. Som om jag är med på resan. Och ditt språk är både välformulerat, ledigt och intagande. Det sägs att den som har något att berätta skriver bättre.
    Du är uppfylld av upplevelsen. Dina texter kan bli en samlad reseskildring som kanske kan ges ut som bok.
    Jag önskar det allra bästa till dig som jag tycker så mycket om.
    Morfar.

  3. Petra Juli 26, 2017

    Glückwunsch!! Du hast es geschafft und erneut einen fesselnden Bericht hinterlassen. Ich drücke dir fest die Daumen für den Rest deiner Reise!

  4. Lumi Juli 21, 2017

    China erreicht!! Unglaublich aber wahr!
    Du hast es fast geschafft!
    Dein starker Wille ist zu bewundern. Du hast in jeder Situation die passenden Menschen und Lösungen gefunden.
    Ich wünsche Dir eine schöne Zeit in China mit guter Gesundheit und tollen Begegnungen!! Viel, viel Glück!
    Lumi

    • sidney Juli 22, 2017 — Autor der Seiten

      Hallo Lumi,
      danke für dein nettes Kommentar.
      Ich denke auch, dass ich mich in einigen Situationen sehr glücklich schätzen konnte, die richtigen Menschen getroffen zu haben. Hoffentlich klappt das auch weiterhin so gut!
      Sid

  5. leslie Juli 21, 2017

    Danke für die Wahrheit über das Zelten, die sonst niemand ausspricht ; )

    und für den langen detaillierten Bericht!

    Alles Gute Dir, vielleicht musst du ein wenig Chinesisch lernen in den nächsten drei Monaten?

    Leslie

    • sidney Juli 21, 2017 — Autor der Seiten

      Genau, jetzt ist es raus 😀

      Immer wieder gerne. Ich freue mich, dass dieser offenbar auf Anklang findet 🙂
      So wie es aussieht muss ich das wohl. Die Sprache ist aber nicht gerade leicht…

  6. Eva-Maria Redler Juli 20, 2017

    Hallo Sydney,
    danke für deinen Bericht!!!
    Inzwischen haben mich deine Reiseerlebnisse dermaßen befeuert und inspiriert, dass ich/wir diesen Sommer in Kirgisien verbringen werden!
    Bald geht’s los…
    Hab es weiterhin ganz gut – Wölfe hin oder her, du schaffst das!
    Herzlichste Grüße auf deinen Weg –
    Eva-Maria Redler

  7. Annika Juli 19, 2017

    Liebster Sidney!
    Was für unglaubliche Abenteuer und Extremsituationen – schöne und unschöne (Wölfe!!)
    Diese Reise wirst Du Dein Leben lang nie vergessen….und ich auch nicht 😮

    Bin bei Dir in meinen Gedanken!!

    Kramar!

  8. David Juli 19, 2017

    Erster!!

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