In Vilnius hatte ich das Glück eine super tolle Wohnung beziehen zu dürfen. Der Vermieter gab mir noch einige Tipps und zeigte mir auf einer Karte einen guten Fahrradladen. Am nächsten Abend kam meine Mutter ebenfalls an. Sie hatte spontan einen günstigen Flug erwischen können. Zusammen brachten wir mein Fahrrad in den genannten Fahrradladen, wo sie alles durchcheckten und es sauber machten. Da die letzten Tage sehr kalt waren,entschloss ich mich etwas nachzurüsten. Also suchten wir nach ein paar wärmeren Sportsocken, sowie wasserdichte Handschuhen ( bzw. Überziehhandschuhe ).
Insgesamt liefen/fuhren wir zu 4 Einkaufscentern. In jedem von ihnen waren teils große Sport- und Outdoorläden, doch keiner von ihnen hatte wasserdichte Handschuhe im Angebot. Immerhin hatte der letzte Laden warme Wintersocken. In einem Baumarkt kauften wir Gummibänder, dicke Latexhandschuhe in XL Größe, sowie eine Gartenfackel. Bei leichtem Regen werde ich mir die Latexhandschuhe über meine normalen Handschuhe stülpen und bei stärkerem Regen mit normalen Einkaufstüten und Gummibändern improvisieren. Insgesamt war es ein sehr schöner Tag. Leider trennten sich unsere Wege am nächsten Tag wieder. Sie flog nach Hause und ich fuhr weiter Richtung Lettland.
So hatte ich die Gelegenheit meine Eltern noch ein letztes Mal für die kommenden 6-7 Monate sehen zu können.
Am 21.04 passierte ich die lettische Grenze, meinem vierten Land auf meiner Reise. Das Ziel an diesem Tag war die Stadt Daugavpills. Die letzten 20 km dorthin entpuppten sich aber als nervlichen und körperlichen Kraftakt. Die gesamte Strecke war übersäht von Baustellen. Der gesamte Teer war aufgerissen worden und überall fuhren riesige Bagger und Lastwagen herum. Der Verkehr wurde auf eine kleine einspurige Sandpiste zusammengeführt. Eine kleine Ampel auf jeder Seite der Baustelle regelte den alternierenden Verkehr. Nun stand ich da, vor und hinter mir riesige LKWs, die alle auf das Umschalten der Ampel warteten. Bei grün ging es dann los. Ich versuchte so schnell wie möglich über den Sandschotter zu fahren, um möglichst dicht am Vordermann bleiben zu können und damit niemaden hinter mich aufzuhalten. Als Konsequenz bekam ich den gesamten aufgewirbelten Staub ins Gesicht geschleudert. Trotz der mieserablen Sicht und des schlechten Untergrundes kämpfte ich mich mit 20 km/h durch. Am Ende angekommen musste ich jedes mal rechts ranfahren um zu Atem zu kommen. Ein paar hundert Meter weiter kam bereits die nächste Baustelle. So ging das dann 20 km lang.
Am nächsten Morgen wurde ich beim Losfahren von 2 Grad Celcius Außentemperatur und starkem Schneeregen begrüßt. Im Verlaufe des Tages kamen noch abwechselnd Schnee und Hagelschauer sowie eine dichte Nebelwand hinzu.
Trotz der Wetterlage war ich gut gelaunt, da mich eine warme Blockhütte an einem See erwartete. Diese hatte ich für nicht einmal 20 Euro pro Nacht gemietet. Dort würde ich einen freien Tag verbringen. Später am Abend saß ich dann vor dem Kamin und genoß die Wärme. Ich blickte in das Wohnzimmer und die dahinter liegende Küche. Daneben ein Badezimmer und eine vollgestellte Sauna. Oben zwei Schlafzimmer. Das eine war abgeschlossen, dass andere war offen und ohne Tür. Eigentlich perfekt. Eigentlich. Irgendwann am Abend begann ich dann merkwürdige Geräusche zu hören. Anfangs hielt ich es für die Lüftung, doch beim genaueren Hinhören konnte ich diese ausschließen. Es hörte sich wie ein langsames, tiefes Atmen an. Ein Schmunzeln konnte ich nicht verbergen. Wie hätte es auch anders sein können. Ganz alleine, mitten in einem Wald an einem See mit keinem anderen Gebäude weit und breit und dann solche Geräusche. Klang wie der Anfang eines perfekten lowbudget Horrorfilms. Das Irre an der Siuation war, dass dieses Geräusch jedes mal verstummte, als ich aufblickte. Das konnte doch nur ein schlechter Witz sein. Beim genaueren Hinsehen bemerkte ich dann eine riesige Falltür direkt unter dem Esstisch. Kam das Geräusch aus der Richtung? Bitte nicht! Glücklicherweise konnte ich es nicht genau ausmachen und so ging ich nach oben um schlafen zu gehen. Was für ein Glück, dass mein Zimmer keine Tür hatte und damit nicht abschließbar war. Unten am Treppenasatz ließ ich das Licht an. Mir doch egal. Da lag ich nun in dem dunklen Zimmer und lauschte in die Dunkelheit. Nichts. Ich wurde immer müder und war kurz vorm Wegschlafen. Dann hörte ich ein Klicken. Dieses Klicken klang irgendwie genau so wie das des Lichtschalters. Daraufhin knarzende Geräusche. Ich versuchte mir einzureden, dass es sich dabei wahrscheinlich nur um eine Maus handeln würde. Warum musste ich mir ausgerechnet vor einigen Tagen in einem Hotel „Evil dead“ angucken??
Ich wurde wach und draußen war es hell. Ich lebte noch. Jay!
Was für ein Glück, dass ich noch eine zweite Nacht in diesem eigentlich so schönem Häuschen verbringen würde. Zwar hoffte ich, dass es diese Nacht anders sein würde, aber natürlich sollte dem nicht so sein. Am Abend begann das gleich Spiel von vorne. Das atmende Geräusch kam definitiv irgendwo aus dem Wohnzimmer. Irgendwo nahe der Fenster. Da war nichts, nur die Falltür. Um 11 Uhr ging ich dann schlafen. Das unregelmäßige Knarzen hielt mich noch etwas wach. Am nächsten morgen packte ich dann meine Sachen und wurde von dem Einsiedler verabschiedet, welcher mir die Hütte vermietet hatte. Er konnte etwas deutsch und so fragte ich ihn, ob die Hütte einen Keller hätte. Daraufhin guckte er mich an und brummte zustimmend, während er durch das Wandgroße Fenster in das Wohnzimmer guckte. Kein weiteres Kommentar. Schnell weiter.
Die sonst so nervigen Lastwagen wurden plötzlich zu einer erfrischenden Abwechslung.
Die Sonne kam raus und ich konnte im T-Shirt fahren. War das der langersehnte Anfang vom Sommer? Als Antwort begann es 20 Minuten später zu hageln, dann zu schneien. Ich fühlte mich irgendwie verarscht. Die Horrorhütte, das Wetter, welches alle 20 Minuten für den Rest des Tages zwischen Sonne und Schnee wechselte und die alt bekannten Baustellen.
100 Meter vor dem letzten Auto entfernt, welches auf die Weiterfahrt wartete, sprang plötzlich ein riesiger schwarzer Hund aus dem Gestrüpp. Er rannte mir noch kurz hinterher blieb dann aber zurück. Den Autos wollte er offenbar nicht zu nahe kommen. Anfangs zumindest, denn nach einigen Sekunden näherte er sich mir wieder. Er bellte zwar nicht, hatte aber eine sehr angespannte Haltung, welche mich dazu veranlasste nach meinem Pfefferspray zu greifen. Als er noch 5 Meter enfernt war und zu knurren anfing, wich ich auf den Seitenstreifen aus und fuhr an den Autos vorbei bis zur Ampel. Dort angekommen drehte ich mich um und sah den Hund, der noch 2 Meter von mir entfernt war. Dann kam er näher. Er roch an meinem Hintertaschen und näherte sich anschließend meinem linken Bein, das Pferfferspray direkt auf seine Augen gerichtet wartete ich ab. Einige Sekunden später pinkelte er gegen eines der Autos und trollte sich dann. Im noch leicht genervt, bemerkte ich gar nicht, dass es wieder weiterging.
Jetzt befinde ich mich in einem kleinen Motel 40 km von der russischen Grenze entfernt. Morgen fahre ich so nah es geht ran und schlafe dann die letzte Nacht vor dem Grenzübergang im Zelt. Hoffentlich klappt am 26. dann alles ohne großen Stress an der russischen Grenze.
Eva-Maria Redler Mai 4, 2017
Lieber Sydney,
Ich bin tief beeindruckt von deinen Berichten!
Lese alles mit sehr großer Spannung.
Ich wünsche dir weiterhin viel Glück und vor allem viele gute Menschen auf deinem Weg!!!
Herzliche Grüße von Eva-Maria Redler
leslie April 25, 2017
Lieber Sidney, du bist im Moment mein Lieblings-Autor. Ich glaube, bei mir will das was heißen.
Pass auf dich auf!
Leslie
Sidney April 26, 2017
Danke dir, dass weiß ich sehr zu schätzen.
Sid
Annette April 24, 2017
Und? Wer saß nun im Keller?!?!
sidney April 25, 2017 — Autor der Seiten
Was hältst du davon: Ich schicke dir die Adresse und schaust einfach mal nach 😉